Ein Jahr Vertrag

Verkehrswende jetzt!

Erinnern wir uns: am 23.4.2020 gaben wir die von uns gesammelten 26 567 Unterschriften beim Rathaus ab, um damit unser sehr erfolgreiches Bürgerbegehren abzuschließen.

Der Oberbürgermeister zeigte sich beeindruckt von dem starken bürgerschaftlichen Engagement. Kurz darauf ließ er aber verlauten, das Bürgerbegehren sei nicht zulässig. Gutachten wurde gegen Gutachten gestellt, und letztlich einigte man sich darauf, in einem öffentlich rechtlichen Vertrag die Ziele des Radentscheids größtenteils zu übernehmen. Der Vertrag und das zeitgleich verabschiedete Radverkehrskonzept der Stadt Bielefeld sollen in der Umsetzung miteinander abgestimmt werden. Für die Umsetzung ist ein Zeitrahmen von fünf bis sechs Jahren vereinbart.

Am 18.6.2020 beschloss der Stadtrat, den ausgehandelten Vertrag zu schließen, und am 25.6. wurde er vom Oberbürgermeister und den Vertretungsberechtigten des Radentscheids unterschrieben.

Natürlich war uns allen klar, dass nach diesem Meilenstein einer zukunftsgewandten Verkehrspolitik nun die Mühen der Umsetzung folgen würden.

Wie alle politischen Initiativen leiden wir seit Anfang 2020 unter den Beschränkungen der Coronazeit. Dadurch waren im vergangenen Jahr weniger öffentlich sichtbar, als wir es uns gewünscht hätten. Umso mehr haben wir in dieser Zeit viel Arbeit in Besprechungen, Planungen und Videokonferenzen mit der Stadtverwaltung geleistet. Das Projekt „Radentscheid” ist also durchaus nicht erledigt, sondern seit dem Herbst 2020 in eine ganz andere und sehr intensive Phase getreten.

Jetzt, ein Jahr nach Vertragsabschluss, haben wir noch keinen Meter Radweg „auf der Straße“, der zur Erfüllung unseres Vertrags gebaut wurde. Keine Kreuzung ist bisher fahrradfreundlich überarbeitet. Es fehlen auch noch immer einige der vereinbarten Konzepte, in denen grundlegende Planungsdetails festgeschrieben werden sollen.

Ein bereits erreichtes Vertragsziel ist die Fahrradstaffel des Ordnungsamts, die jetzt langsam die volle Personenstärke erreicht hat und wahrnehmbar für eine bessere Einhaltung des Parkverbotes auf Radwegen arbeitet.

Wir haben kürzlich durch eine als Video dargestellte Umsetzungsidee frischen Wind in die Debatte um die Radstation am Bahnhof gebracht. Wir halten es für die beste Lösung, den Bunker unter dem Bahnhofsvorplatz zu nutzen, um eine optimale Erreichbarkeit des Bahnhofs für die Radfahrenden zu gewährleisten.

Wir fordern, dass kurzfristig mit der Umsetzung von geschützten Radspuren (Protected Bike Lanes) an mehrspurigen Straßen wie der Artur-Ladebeck-Straße und der Herforder Straße begonnen wird. Es gibt viele Maßnahmen, die sich schnell mit temporären Mitteln umsetzen lassen. Die Zeit ist reif für die Verkehrswende.

Zukünftig muss die Umsetzung des Vertrages deutlich an Fahrt aufnehmen. Wichtige Weichen sind gestellt. Das Personal im Amt für Verkehr wird aufgestockt werden. Damit werden hoffentlich die Kapazitäten geschaffen, zügig an der Umsetzung des Vertrags und des Radverkehrskonzeptes zu arbeiten.

Bielefeld unternimmt erste Schritte zur Verkehrswende. Sie werden von vehementen und aus unserer Sicht sehr unsachlichen Stellungnahmen begleitet. Es gibt nicht den behaupteten Graben zwischen den privilegierten Stadtbewohnern, die profitieren, und anderen, die als Geschäftsinhaber oder Umlandbewohner oder Behinderte leiden müssen. Erfahrungen aus anderen Städten zeigen: Eine Veränderung in der Aufteilung des Stadtraums und eine Verlagerung hin zum Fahrrad, ÖPNV und Fußverkehr verbessern die Lebensqualität und Attraktivität der Stadt für alle. Die meisten Menschen wissen, dass wir alle noch viel tun müssen, um die dringend gebotenen Klimaziele zu erreichen. Der Verkehrssektor ist dafür von entscheidender Bedeutung. Es ist Zeit für die Verkehrswende.

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