Häufige Fragen zum Vertrag mit der Stadt:
- Was ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag?
- Warum ein Vertrag und kein Ratsbeschluss?
- Wie lang sind die Laufzeiten bei den verschiedenen Alternativen?
- Kann denn der Vertrag nicht jederzeit gekündigt werden?
- Ist es nicht undemokratisch, kurz vor der Wahl einen langfristigen Vertrag zu schließen?
- Wodurch erlangt ein Vertrag Verbindlichkeit?
- Worin bestehen die Mitwirkungsrechte des Bürgerbegehrens „Radentscheid“ in Bielefeld?
- Werden die politischen Parteien und Gremien durch den Vertrag entmachtet?
Häufige Fragen zu unseren Forderungen:
- Warum soll der Radverkehr gefördert werden?
- Es gibt doch bereits genügend Radfahrer*innen!
- Warum soll ein Verkehrsmittel gegenüber allen anderen bevorzugt werden?
- Vertritt der Radentscheid Bielefeld nur eine kleine Gruppe?
- Bielefeld ist und bleibt Autostadt.
- Es radeln doch hauptsächlich junge Männer zwischen 25 und 45 Jahren. Somit kommt der Radentscheid Bielefeld nur dieser kleinen Gruppe zugute.
- Bielefeld ist nicht Holland oder Kopenhagen. Hier gibt es nicht die gleichen Bedingungen.
- Wo liegt das Problem, man kann doch schon überall Rad fahren?
- Radfahrer*innen fahren auf der Straße, obwohl ein Radweg vorhanden ist.
- Radfahrer*innen fahren wie Rowdys und halten sich nicht an die Verkehrsregeln.
- Radfahrer*innen nerven.
- Der Radentscheid verschärft den Konflikt zwischen Fahrrad- und Autofahrer*innen.
- Ich fahre mit dem Auto, zusätzliche Radwege nehmen meinen Platz weg.
- Wohin sollen die parkenden Autos?
- Ich bin Fußgänger und fühle mich von Radlern bedrängt, die auf dem Gehweg fahren. Warum sollte ich den Radentscheid unterstützen?
- Der Wirtschaftsverkehr wird ausgebremst!
- Welche Auswirkungen hat der Radentscheid auf den ÖPNV?
- Sind die Forderungen des Radentscheids nicht unglaublich teuer?
- Die Geschäfte des Einzelhandels verlieren ihre Kund*innen, wenn der Autoverkehr eingeschränkt wird.
Was ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag?
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist ein Abkommen zwischen einer Verwaltung und Bürger*innen. Die Rechtsgrundlage dafür bildet das Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW §§ 54–62). Dabei wird zwischen einem „Austauschvertrag“ und einem „Vergleichsvertrag“ unterschieden. Ein Austauschvertrag wird geschlossen, wenn z.B. Dienstleistungsorganisationen Aufgaben für die Stadt übernehmen – etwa die Abwicklung des Rettungsdienstes. Ein Vergleichsvertrag wird geschlossen, wenn damit „eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird“. (§ 55 VwVfG NRW)
Warum ein Vertrag und kein Ratsbeschluss?
Will die Ratsmehrheit in einer Kommune die Inhalte eines Bürgerbegehrens nicht vollständig, sondern nur teilweise übernehmen, bleibt nichts anderes übrig, als einen Vertrag zu schließen. Denn: „Handeln die Vertreter eines Bürgerbegehrens mit dem Rat einen Kompromiss aus, der den Text des Bürgerbegehrens nicht uneingeschränkt umfasst, so erledigt sich das eingereichte Bürgerbegehren dadurch nicht. Soll der ausgehandelte Kompromiss rechtsverbindlich abgesichert werden, so kann dies nur durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen den Vertretern des Bürgerbegehrens und dem Rat gemäß § 57 VwVfG geschehen.“ (Quelle: Bürgerbeteiligung – Mehr unmittelbare Demokratie in den Gemeinden wagen. Erstellt durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, Januar 2019, S. 13)
Die Alternative wäre, den bloßen Absichtserklärungen einer Ratsmehrheit zu vertrauen. Keine gute Alternative, denn die Vertreter des Bürgerbegehrens hätten nichts in der Hand. Umgekehrt könnte sich die Politik nicht darauf verlassen, dass das Bürgerbegehren nicht doch den Weg des Bürgerentscheids einschlägt.
Bislang haben Radentscheide in anderen Städten von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Entweder wurden die Inhalte zu 100% übernommen (z.B. Aachen, Marl) oder die Vertreter des Bürgerbegehrens haben sich mit den politischen Parteien auf einen Ratsbeschluss und andere informelle Absprachen geeinigt.
Wie lang sind die Laufzeiten bei den verschiedenen Alternativen?
Ein Ratsbeschluss hätte eine Wirksamkeit von 6 Monaten. Danach könnte der (alte oder neue) Rat den Ratsbeschluss verändern. Diese Zeit ist völlig unangemessen für die Anliegen eines Radentscheids, deren Verwirklichung Jahre dauert (meist sind 5 Jahre angesetzt). Würde ein Ratsbeschluss durch einen Bürgerentscheid ersetzt, betrüge dessen „Haltbarkeit“ 2 Jahre.
In einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ist die Dauer der eingegangenen Verpflichtungen offen. Das können die Verhandlungspartner festlegen. Im Fall Bielefeld hat man sich auf 5 Jahre (plus Verlängerung um 1 Jahr, wenn die vereinbarten Ziele in 5 Jahren nicht erreicht werden) geeinigt. Es hätten auch 10 oder nur 3 Jahre sein können.
Kann denn der Vertrag nicht jederzeit gekündigt werden?
Das Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (§ 60 Abs. 1) setzt hohe Anforderungen für eine vorzeitige Kündigung: Es verlangt, dass eine Fortsetzung „nicht zuzumuten“ ist oder „schwere Nachteile für das Gemeinwohl“ drohen. Ein Wechsel der Ratsmehrheit kann eine solche Situation z.B. nicht begründen. Eine Verschlechterung finanzieller Rahmenbedingungen allein ist ebenfalls kein Grund zur Kündigung, es sei denn, die Kommune könnte ihre gesetzlichen Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen. Auch eine Haushaltssicherung durch den Regierungspräsidenten berechtigt nicht zur Vertragskündigung.
Ist es nicht undemokratisch, kurz vor der Wahl einen langfristigen Vertrag zu schließen?
Es gelten gesetzliche Fristen, innerhalb derer ein Stadtrat auf ein Bürgerbegehren reagieren muss, egal, ob dieses nun kurz vor einer Kommunalwahl eingereicht wird oder nicht. Ein Aufschieben und Abwarten wäre also gar nicht möglich gewesen.
Die politische Mehrheit hat sich gegen einen juristischen Streit über die Frage der Zulässigkeit entschieden (hierzu gibt es Gutachten und Gegengutachten), ebenso hat sie sich gegen die vollständige Übernahme unserer Ziele und gegen die Einleitung eines Bürgerentscheids entschieden. Unter diesen Umständen blieb nur der Vertrag, der auch aus unserer Sicht eine gelungene Lösung ist. Seine Laufzeit passt zu unseren Zielen, die ja wie der Vertrag auf fünf Jahre angelegt sind.
Auch andere Vorhaben einer Kommune werden schließlich auf viele Jahre hin festgelegt (Straßen, große Bauvorhaben, Schließung von Freibädern u.a.m.), und das ebenfalls mit vertraglichen Bindungen über Wahlperioden hinaus.
Aus unserer Sicht betrachtet: Warum hätten wir als Radentscheid uns die Gelegenheit entgehen lassen sollen, die Radverkehrsförderung vertraglich abzusichern? Der Stadtrat hat seit Jahren die Förderung des Radverkehrs beschlossen, es wird aber trotzdem kaum etwas auf der Straße umgesetzt. Das ist eher undemokratisch.
Wodurch erlangt ein Vertrag Verbindlichkeit?
Positive Wirkung kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit der Verwaltung nur entfalten, wenn die einzelnen Punkte dort klar und rechtssicher formuliert sind. Absichtserklärungen wie etwa: „Unser Ziel ist es…“, „soll“, „grundsätzlich“, „wenn nicht andere Dinge dagegen stehen…“, „unter Bezugnahme auf…“ sind bei Politik und Verwaltung sehr beliebt, denn sie lassen viele Spielräume und verpflichten zu nichts.
Wir haben bei den Vertragsverhandlungen darauf geachtet, dass solche schwammigen Formulierungen in verbindliche Aussagen umgewandelt wurden. Zwar konnten wir nicht in allen Fällen die angestrebte Rechtssicherheit erreichen, z.B. bei den Radschnellwegen oder der Ausrüstung von städtischen Fahrzeugen mit dem Abbiegeassistenten. Aber in fast allen anderen Bereichen waren wir erfolgreich.
Worin bestehen die Mitwirkungsrechte des Bürgerbegehrens „Radentscheid“ in Bielefeld?
Unsere Mitwirkung ist in § 3 des Vertrags geregelt. Es wurde vereinbart, dass wir mindestens alle zwei Monate mit der Verwaltung Treffen zur Planung und Umsetzung des Vertrags haben werden. Können sich beide Seiten bei einem Punkt nicht einigen, hat jede Seite das Recht auf ein Veto, das aber nicht endgültig ist. Ein Veto führt dazu, dass die Frage beim nächsten Treffen erneut besprochen wird. Kommt auch dann keine Einigung zustande, entscheidet das zuständige politische Gremium. Beide Seiten geben dann Stellungnahmen ab und bieten eine Anhörung an.
Werden die politischen Parteien und Gremien durch den Vertrag entmachtet?
Der Vertrag enthält verbindliche zeitliche und quantitative Vorgaben für den Bau oder die Anlage von Fahrradwegen und –straßen mit Qualitätsstandards, die Absicherung von Kreuzungen, das Aufstellen von Fahrradständern und anderes. Bei konkreten und weitreichenden Fragen, z.B. wo eine Fahrradstraße oder ein geschützter Radweg entsteht, entscheiden der Rat bzw. die Ausschüsse oder Bezirksvertretungen. Die Entscheidungshoheit der demokratisch gewählten Gremien bleibt also gewahrt.
Aber es gilt: Wir haben endlich verbindliche Zusagen erhalten. Damit werden die bisherigen Beschlüsse des Rates zur Radverkehrsförderung mit Leben gefüllt. Politik und Verwaltung können sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Das mag undemokratisch nennen, wer will. Es ist genau das Gegenteil.
Warum soll der Radverkehr gefördert werden?
Fahrräder sind das moderne urbane Transportmittel schlechthin: Sie produzieren 0 Gramm CO₂, Feinstaub oder Stickoxide, sind sehr leise und brauchen wenig Platz. Wenn in Bielefeld also mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen, ist das gut für alle. In der Stadt ist man mit dem Fahrrad schneller am Ziel als mit jedem anderen Verkehrsmittel. Es ist preiswert, macht Spaß und man tut nebenbei noch etwas für seine Gesundheit – und die der anderen. Außerdem stellt das Fahrrad eine wesentlich kleinere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar als der motorisierte Verkehr.
Es gibt doch bereits genügend Radfahrer*innen!
Es gibt viele Menschen, die Rad fahren möchten, sich jedoch bisher nicht trauen, da die Radwege oft unsicher oder nicht vorhanden sind. Ältere Menschen und Kinder beispielsweise könnten sorgloser Fahrrad fahren, wenn Radentscheid Bielefeld erfolgreich ist und Bielefeld eine sichere und schnelle Fahrradinfrastruktur bekommt. Beispiele in anderen Ländern oder Städten wie Amsterdam, New York, Barcelona oder Kopenhagen haben bereits gezeigt, dass der Ausbau der Infrastruktur für Fahrradverkehr die Unfallzahlen deutlich reduziert und gleichzeitig zu einer Zunahme des Radverkehrs führt. Deswegen wollen wir hier ansetzen und so mehr Menschen sicheres Fahrradfahren ermöglichen.
Warum soll ein Verkehrsmittel gegenüber allen anderen bevorzugt werden?
Zur Zeit wird nicht das Rad, sondern das Kfz massiv bevorzugt. Der Radentscheid Bielefeld möchte dafür sorgen, dass das Fahrrad einen angemessenen Platz im Verkehrsraum erhält, also sichere und schnelle Wege, auf denen alle Fahrrad fahren können. Derzeit werden dem Fahrrad ca. 3 % der Verkehrsflächen zugebilligt, während für das Auto ca. 60 % der Flächen verbraucht werden. Dieses Verhältnis ist nicht mehr zeitgemäß und eine bis heute nachwirkende Folge der autozentrierten Stadtplanung aus den 1950er Jahren. Moderne Verkehrsplanung muss das Fahrrad als wichtiges Verkehrsmittel berücksichtigen und ein gutes separates Wegenetz zur Verfügung stellen.
Vertritt der Radentscheid Bielefeld nur eine kleine Gruppe?
Das Fahrrad ist ein Verkehrsmittel für Jung und Alt. Es steht Menschen jeden Alters und jeden Einkommens zur Verfügung. Laut einer repräsentativen Umweltbewusstseinsstudie* des BMUB aus dem Jahr 2014 möchten 82 % der Deutschen weniger Pkw- Verkehr in den Städten und wünschen sich, ihre Ziele mit dem Fahrrad erreichen zu können.
Bielefeld ist und bleibt Autostadt.
Alle Verkehrsmittel sollen ihren Platz haben in Bielefeld, denn es gibt unterschiedliche Gründe für die individuelle Wahl jedes Einzelnen. Aber ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr fördern das Wohl aller Menschen in der Stadt: Sie schonen die Umwelt, sorgen für bessere Luft, weniger Lärm und beleben den öffentlichen Raum. So wird die Stadt lebenswerter, sicherer, ruhiger und gesünder. Das ist im Interesse aller Menschen. Der Radentscheid Bielefeld ist mehrheitsfähig.
Es radeln doch hauptsächlich junge Männer zwischen 25 und 45 Jahren. Somit kommt der Radentscheid Bielefeld nur dieser kleinen Gruppe zugute.
In Amsterdam oder Kopenhagen, wo die Bedingungen für den Radverkehr besser sind, findet man unter den Radfahrer*innen sogar mehrheitlich Frauen, viele Kinder und Senioren. In Großbritannien hingegen ist die Gruppe der Radfahrer*innen überwiegend männlich und jung, während viele Frauen und ältere Menschen sich laut Umfragen aufgrund der gefährlichen Situationen, denen sie ausgesetzt sind, nicht trauen das Rad zu benutzen. Sichere Radwege bieten auch körperlich Behinderten die Möglichkeit, sich selbstständig und sicher mit angepassten Fahrzeugen auf dem Radweg fortzubewegen. Auch für Lastenräder, die als Familienfahrzeug für Familien mit kleinen Kindern dienen, ist genügend Platz. Wir möchten also, dass Rad fahren für alle möglich wird – unabhängig von Geschlecht, Alter und Kondition. Jede und jeder sollte sich auf allen Straßen sicher fühlen können.
Bielefeld ist nicht Holland oder Kopenhagen. Hier gibt es nicht die gleichen Bedingungen.
Der wichtigste Unterschied zwischen Bielefeld und den erfolgreichen Städten und Dörfern in den Niederlanden ist die hochwertige Infrastruktur, die es dort gibt. Radfahren ist für Niederländer so selbstverständlich, weil sie auf guten Wegen entspannt und sicher unterwegs sind und zügig ans Ziel kommen.
Wir glauben: Bielefeld kann das auch.
Was in vielen Städten noch fehlt, ist eine flächendeckende Infrastruktur für den Radverkehr, die Qualität hat. Aber sogar Millionenmetropolen wie New York, Paris und London haben es geschafft, in nur wenigen Jahren ein hochwertiges Wegenetz für den Radverkehr zu errichten. Dadurch wurde der Anteil des Radverkehrs in diesen Städten deutlich gesteigert. Diese Städte sind der Beweis, dass eine gute und sichere Radinfrastruktur in kurzer Zeit aufgebaut werden kann.
Wo liegt das Problem, man kann doch schon überall Rad fahren?
Der Radverkehr braucht ein zusammenhängendes Netz an eigenständiger Radinfrastruktur. Nur dann ist es möglich, dass Menschen jeden Alters entspannt, sicher und zügig an ihr Ziel kommen. Der Radentscheid Bielefeld sieht u. a. Fahrradschnellwege für längere Strecken vor. Ein Teil der Pendler*innen kann so aufs Fahrrad umsteigen und den Berufsverkehr entlasten.
Radfahrer*innen fahren auf der Straße, obwohl ein Radweg vorhanden ist.
Was viele nicht wissen: Nur dann, wenn ein Radweg mit dem blauen Schild und Fahrradsymbol gekennzeichnet ist, muss man diesen Radweg benutzen. In den letzten Jahren wurde diese Radwegebenutzungspflicht an vielen Stellen aufgehoben. Radfahren auf der Straße ist dort erlaubt. Radfahrer*innen haben dann dasselbe Recht, die Straße zu benutzen wie Autofahrer*innen.
Radfahrer*innen fahren wie Rowdys und halten sich nicht an die Verkehrsregeln.
Vorab: Ein Trottel bleibt ein Trottel, egal ob er auf dem Rad, im Bus oder im Auto sitzt. In Bielefeld steigen täglich Tausende Menschen auf das Fahrrad, darunter rücksichtsvolle und weniger rücksichtsvolle. Deswegen gehört zu unseren Maßnahmen auch der Ausbau der Polizei-Fahrradstaffeln. Sie sollen dafür sorgen, dass Autofahrer*innen die Radwege nicht zuparken und Radfahrer*innen nicht die Gehwege befahren. Wenn Radfahrer*innen dann tatsächlich über ein gutes und komfortables Netz verfügen, kann niemand mehr sein Verhalten dadurch rechtfertigen, dass er bei der Verkehrsplanung nicht mitberücksichtigt wurde. Das ist jetzt leider noch viel zu oft der Fall – etwas, das wir keinesfalls bestärken oder fördern!
Radfahrer*innen nerven.
Wenn mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen, gibt es weniger Autoverkehr. Der Autoverkehr wird dadurch fließender und entspannter. Best-Practice-Beispiele wie Kopenhagen oder die Niederlande zeigen, dass ein starker Radverkehr die Grundlage eines effizienten Verkehrssystems ist und ein entspannteres Miteinander im Verkehr ermöglicht.
Der Radentscheid verschärft den Konflikt zwischen Fahrrad- und Autofahrer*innen.
Das Gegenteil ist der Fall: Eine gut ausgebaute Radinfrastruktur entschärft die Konflikte zwischen Autofahrer*innen, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Außerdem bedeuten unsere Ziele die Gleichstellung der verschiedenen Verkehrsmittel: Alle Menschen in Bielefeld sollen sich frei entscheiden können, wie sie sich fortbewegen möchten. Wir führen keinen Glaubenskrieg, sondern lassen uns von guten Argumenten leiten. Im Endeffekt möchten alle, entsprechend ihrer Bedürfnisse, schnell, komfortabel, sicher, günstig, gesund, und umweltfreundlich an ihr Ziel gelangen. Das Rad sollte dabei eine Option für alle sein, auch für Kinder und Senior*innen.
Ich fahre mit dem Auto, zusätzliche Radwege nehmen meinen Platz weg.
Der Radentscheid richtet sich nicht gegen den Autoverkehr, sondern möchte die Probleme und Konflikte im Verkehr entschärfen. Die Zahl der Radfahrer*innen in Bielefeld steigt an. Das ist auch gut für die Autofahrer*innen. Stell Dir einmal vor, alle Radfahrer*innen würden ab morgen Auto fahren! Dann gäbe es verstopfte Straßen den ganzen Tag. Dem wachsenden Radverkehr muss jedoch auch die Infrastruktur gerecht werden, dann können Radfahrer*innen und Autofahrer*innen entspannt ans Ziel kommen. Der Autoverkehr wird durch unsere Ziele nicht lahmgelegt. Im Gegenteil: Wenn mehr Menschen aufs Fahrrad umsteigen, gibt es mehr Platz und weniger Staus für diejenigen, die wirklich aufs Auto angewiesen sind.
Wohin sollen die parkenden Autos?
Der Wegfall von Parkplätzen lässt sich nicht vermeiden. Der begrenzte Platz gerade in der Stadt kann den steigenden Auto- und Parkverkehr nicht aufnehmen. Es ist mit zunehmender Verdichtung der Städte und steigendem Verkehrsaufkommen nicht mehr möglich, an allen kostenlosen Parkplätzen im öffentlichen Raum festzuhalten. Doch auf der gleichen Fläche, die ein parkendes Auto benötigt, finden 10 Fahrräder Platz.
Das bedeutet: Mehr Fahrradverkehr schafft Platz, der allen zugutekommt. Ein großes städtisches Mietshaus hat 10 bis 40 Wohnungen, aber auf der Straße davor nur 4 bis 5 Parkplätze. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Schon jetzt besitzen in vielen großen Städten in NRW weniger als die Hälfte der Haushalte ein Auto. Viele Menschen könnten auf ein eigenes Auto verzichten, wenn es bessere Fahrradwege gäbe. So wird auch das Parkplatzproblem entschärft. Es ist ohnehin ein wichtiges Ziel, die Autos möglichst aus den Innenstädten zu verbannen. Denn der Parksuchverkehr ist ein großes Problem mit umwelt- und gesundheitsschädlichen Effekten, Abgasen, Feinstaub, Stickoxiden, Lärm. Die Politik vermeidet nur, dieses Thema in der Öffentlichkeit auszusprechen. Wie lange ihr das noch gelingt?
Ich bin Fußgänger und fühle mich von Radlern bedrängt, die auf dem Gehweg fahren. Warum sollte ich den Radentscheid unterstützen?
Fahrräder gehören nicht auf den Gehweg, sondern auf die Radinfrastruktur bzw. auf die Straße. An Stellen, wo es gute Radinfrastruktur gibt, gibt es keine Konflikte mit Fußgänger*innen. Wir wollen klar getrennte Wege und sind – aufgrund der Erfahrungen aus anderen Ländern – davon überzeugt, dass diese von den Radfahrer*innen dann auch gerne genutzt werden. So können Fußgänger*innen wieder ungestört auf dem Gehweg unterwegs sein. Bielefeld hat Fußwege, die wir gerne von Radfahrer*innen und auch von parkenden Autos freihalten wollen – schließlich sind abgestiegene Radfahrer*innen auch Fußgänger*innen.
Der Wirtschaftsverkehr wird ausgebremst!
Wir beneiden nicht die Fahrer*innen des Liefer- und Wirtschaftsverkehrs in Bielefeld. Es gibt großen Zeitdruck, aber kaum geeignete Haltemöglichkeiten. Deswegen parken viele Fahrer*innen illegal in zweiter Reihe oder auf dem Fahrrad- oder Fußweg. Dies ist eine große Gefahrenquelle. Es ist unverantwortlich, dass dieses Thema von Politik und Polizei bisher als Kavaliersdelikt behandelt und ignoriert wird. Die Einrichtung und Freihaltung von Lieferzonen erleichtern den Lieferverkehr. Die Politik ist gefordert, verbindliche Standards für alle Straßen zu setzen. Es gibt immer mehr Unternehmen im Land, die auf Lieferverkehr mit Lastenrädern setzen. Dies ist eine sehr sinnvolle, da umweltfreundliche, ökonomische und platzsparende Entwicklung. Denn es lässt sich noch einiges bewegen: 51 % des städtischen Lieferverkehrs könnten hinsichtlich Volumen und Entfernung problemlos auf Lastenräder verteilt werden.
Welche Auswirkungen hat der Radentscheid auf den öffentlichen Nahverkehr?
Radverkehr und ÖPNV gehören zusammen. Beide sind Teil des Umweltverbundes: Sie sind gut für die Umwelt, sparen Platz und ermöglichen eine lebenswerte Stadt, ein lebenswerteres NRW. Indem getrennte Fahrradspuren geschaffen werden, müssen Radfahrer*innen die Busspur nicht mehr benutzen. So wird der Busverkehr schneller und pünktlicher. Und bessere Fahrradwege sowie gute Abstellmöglichkeiten an den Bahnhöfen vereinfachen es Pendler*innen enorm, mit Rad und ÖPNV zur Arbeit zu fahren.
Sind die Forderungen des Radentscheids nicht unglaublich teuer?
Gute Radinfrastruktur kostet Geld, und das ist auch in Ordnung: Wir gewinnen enorm an Lebensqualität und investieren in die Zukunft unserer Stadt. Das Rad belastet, anders als einige andere Transportmittel, nicht die Umwelt, produziert keine giftigen Abgase und verursacht keinen Lärm. Durch mehr Bewegung wird das Gesundheitssystem massiv entlastet. Hinzu kommt der Rückgang schwerer Verkehrsunfälle. Auch der Unterhalt von Fahrradwegen ist deutlich günstiger als der von Autostraßen. Langfristig wird also viel Geld gespart.
Die Kostenschätzung der Stadt Bielefeld ist überraschend hoch und wir haben uns entschieden, dass der größte Posten (Ziel 2, 5 km geschützte Radwege an Hauptstraßen pro Jahr) korrigiert werden muss. Deshalb haben wir eine angepasste Schätzung veröffentlicht und zusätzlich auf unsere Unterschriftenlisten gedruckt. Baulich getrennte Radwege können teuer werden, wenn Bordsteine versetzt oder Gleise verlegt werden müssen. Radschnellwege können abschnittsweise teure Brücken oder Unterführungen enthalten. Doch wo es ausreichend ist, können praktikable Lösungen schnell mit Pinsel und Farbe umgesetzt werden. Auch kann eine Lösung zuerst als Verkehrsversuch ausprobiert werden, um die Folgen besser einzuschätzen und die gewünschte Wirkung mit geringeren Kosten zu erreichen. (Der Radentscheid Frankfurt hat einen lesenswerten Artikel zu Verkehrsversuchen.)
Über Jahrzehnte hat die Stadt massiv in den Autoverkehr investiert. Inzwischen ist in der Gesellschaft und in der Politik angekommen, dass es Zeit ist, dagegen zu steuern. Was wir wollen, bewegt sich finanziell in dem Rahmen, den auch die Stadt 2016 nach einer Bestandsaufnahme ihrer Fahrradpolitik (BYPAD) beschlossen hat.
Die Geschäfte des Einzelhandels verlieren ihre Kund*innen, wenn der Autoverkehr eingeschränkt wird.
Diese Bedenken wurden schon vor 50 Jahren geäußert, als die ersten Fußgängerzonen eingerichtet wurden. Das Gegenteil ist wahr: Durch Verkehrsberuhigung und neue Fahrradwege werden Straßen nicht nur attraktiver zum Wohnen, auch die Geschäfte profitieren. Denn die Menschen verweilen eher, wenn sie mit niedrigerer Geschwindigkeit unterwegs sind und die Straße insgesamt belebter ist. In den Innenstädten sind laut einer Studie gerade solche Geschäfte erfolgreich, die ihren Fahrradkund*innen einen sicheren Abstellplatz bieten und damit ein fahrradfreundliches Klima schaffen. Außerdem ist nachgewiesen, dass Unternehmer*innen den Anteil der Kunden, die mit dem Auto kommen, stark überschätzen (geschätzt: 58 %, tatsächlich: 32 %; *Quelle s.u.). Die jährlich ausgegebene Summe von Radfahrer*innen und Autofahrer*innen ist in etwa identisch und die von Fußgänger*innen sogar bedeutend höher. Zu guter Letzt sind die Fahrradbranche und die Radtouristikbranche ernstzunehmende Wirtschaftsfaktoren mit hohem Wachstumspotential.
* http://agfk-bayern.de/dateienupload/dokumente/Publikationen_AGFK/AGFK-WirtschaftsRad.pdf
Die Fragen zu den Forderungen hier als PDF-Datei herunterladen: