Das Wichtigste in Kürze
Die Stadt Bielefeld hat die Kosten unserer 11 Ziele (über 5 Jahre) auf 137,4 Mio. € geschätzt. Wir korrigieren die Schätzung an zwei Stellen:
Kostenschätzung der Stadt | 137,4 Mio. € |
Ziel 2: Die Stadt soll pro Jahr 5 km geschützte Radwege errichten (über 5 Jahre). Die Stadt schätzt dafür 3 Mio. € pro Kilometer. Auf keinen Fall, meinen wir. Unsere vorsichtige Schätzung: etwa 0,5 Mio. € / km. | −62,5 Mio. € |
Ziel 10: Die Stadt soll die Nutzung des Fahrrads mit 100.000 € bewerben, Hier wurde in der Schätzung etwas missverstanden: Das soll nicht einmalig sein, sondern jährlich (über 5 Jahre). | +0,4 Mio. € |
Unsere Kostenschätzung | 75,3 Mio. € |
Ausführlicher Kommentar zur Kostenschätzung der Stadt
Bürgerbegehren in NRW müssen bei der Unterschriftensammlung eine Kostenschätzung der Gemeindeverwaltung angeben (§ 26 Absatz 2 der Gemeindeordnung NRW). Deshalb hatten wir der Stadt Bielefeld unsere Ziele am 25. April eingereicht und mit Post vom 27. Juni eine detaillierte Schätzung bekommen. Somit hat die Stadtverwaltung unseren Wunsch erfüllt, ihre Kostenschätzung schnell zu erarbeiten. Das ist erfreulich, allerdings hat vor allem eine Zahl dieser Schätzung großes Erstaunen ausgelöst – bei uns und weit in die Stadtpolitik hinein.
Mehr als die Hälfte der Kostenschätzung von insgesamt 137,4 Mio. € wird von einem einzigen der 11 Ziele ausgemacht. Die Stadt schätzt, dass unser Ziel 2 – „Die Stadt errichtet pro Jahr an Hauptstraßen mindestens 5 Kilometer geschützte Radwege“ – 75 Mio. € kosten würde. Unser Programm ist auf eine Laufzeit von 5 Jahren angelegt, es geht also um insgesamt 25 km. Daraus ergeben sich Kosten von 3 Mio. € pro Kilometer. Wir haben uns entschieden, dass eine realistische, immer noch vorsichtige Schätzung bei 0,5 Mio. € pro Kilometer liegt.
Außerdem korrigieren wir einen offensichtlichen, kleinen Fehler, den die städtische Schätzung eigentlich zu unseren Gunsten gemacht hatte. Unser Ziel 10 lautet: „Die Stadt bewirbt jährlich mit einem Budget von mindestens 100.000 € die Nutzung des Fahrrades […]“. An diesem Punkt setzt die Kostenschätzung insgesamt 100.000 € an, doch unser Bürgerbegehren ist auf 5 Jahre angelegt. Wir rechnen deshalb mit 500.000 €.
Daraus ergibt sich eine andere Gesamtsumme, die wir auf unseren Unterschriftenlisten der Zahl der Stadt entgegenstellen: 75,3 Mio. €.
Fördergelder könnten die Kosten für die Stadt deutlich reduzieren
Nach Recherchen des Radentscheids Aachen können für Maßnahmen, wie sie in Aachen und von uns in Bielefeld in Bürgerbegehren gefordert werden, Fördergelder in Höhe von 50 bis 70 Prozent der Gesamtkosten eingeworben werden. Dadurch würde sich die Belastung des städtischen Haushalts auf ca. 4,8–8,2 Mio. € reduzieren. Umgerechnet auf Einwohner*in und Jahr sind das ca. 14–23 €.
Vergleich mit dem städtischen Haushalt
Der Gesamthaushalt der Stadt im Bereich Verkehr beträgt derzeit ca. 34 Mio. € pro Jahr (Haushaltsplan 2020/21, Produktbereich 12). Davon würden durch unsere Forderungen also 5 Jahre lang je nach Fördersumme etwa ein Siebtel bis ein Viertel für den Radverkehr ausgegeben. Das ist ein angemessener Anteil für eine Stadt, die den Anteil des Radverkehrs an allen Wegen auf 25 % steigern will und die im Radverkehr noch einigen Nachholbedarf hat. Diesen Nachholbedarf erkennt die Stadt selbst an. Das im Jahr 2016 abgeschlossene BYPAD-Verfahren („Bicycle Policy Audit“, übersetzt ungefähr „Revision der Fahrradpolitik“) führte zu der Empfehlung, die Ausgaben für den Radverkehr auf etwa 13 € pro Einwohner und Jahr zu erhöhen.
Unsere Recherchen zu allen Punkten der Kostenschätzung
Im folgenden legen wir offen, wie wir die Schätzung der Stadt zu den einzelnen Zielen geprüft haben.
Ziel 1: Fahrradstraßen
Schätzung der Stadt: 800.000 € = 160.000 € / Jahr = 16.000 € / km
Eine einfache Beschilderung kostet 5.000–10.000 € pro Straße, bei Umbauten wird von 60.000 € pro Straße ausgegangen. (Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie – BMVIT (2013): „Kosteneffiziente Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Gemeinden“ [im folgenden kurz: „Kosteneffiziente Maßnahmen“], S. 19, Quellenverweis 16)
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Ziel 2: geschützte Fahrradwege
Schätzung der Stadt: 75 Mio. € = 15 Mio. € / Jahr oder 3 Mio. € / km
Das ist über die Hälfte der Finanzsumme, die für den gesamten Radentscheid veranschlagt wurde. Bei dieser Forderung geht es uns um die Umnutzung von Fahrstreifen auf mehrstreifigen Straßen, insofern können wir uns die exorbitante Summe nicht erklären.
In Berlin wurden die ersten Protected Bike Lanes inzwischen gebaut. Dort betrugen die Kosten real 0,5 Mio. € / km. (Quelle: Berliner Morgenpost, 17. April 2019: „So sicher ist der neue Poller-Radweg an der Hasenheide“)
Zum Vergleich: Besser ausgebaute Radschnellwege kosten laut einer Machbarkeitsstudie für den Radschnellweg Ruhr 1.630.000 € / km, wenn sie komplett neu angelegt werden müssen, bzw. 260.000 € / km, wenn bereits vorhandene Wege genutzt werden können. (Quelle: fairkehr 2/2019, Titel: „Die Radschnellwege kommen“)
Die Kosten eines km Radwegs in Österreich betragen 500.000 € /Quelle: „Kosteneffiziente Maßnahmen“ S. 7)
Noch ein Vergleich: Der Umbau der Heeper Straße kostet auf einer Länge von 2,5 km 9 Mio. € = 3,6 Mio./km (Quelle: Beschlussvorlage der Stadt Bielefeld zum Ausbau der Heeper Straße zwischen der Straße Am Venn und der Teutoburger Straße)
→ Wir rechnen mit 500.000 € pro km → 12,5 Mio. €
Ziel 3: Kreuzungen
Schätzung der Stadt: 10 Mio. € für 25 Kreuzungen = 0,4 Mio. € pro Kreuzung
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Ziel 4: Ampeln
Schätzung der Stadt: 1 Mio. € = 200.000 € pro Jahr = 40.000 € pro Ampel
Unsere Informationen:
Kosten einer Grünen Welle für den Radverkehr pro Ampelanlage in einer Kreuzung zwischen 3.000 und 30.000 € (Quelle: „Kosteneffiziente Maßnahmen“ S. 15, Quellenverweis 12)
Kosten einer neuen Ampelanlage: 170.000 € (Quelle: „Kosteneffiziente Maßnahmen“ S. 23, Quellenverweis 24)
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Ziel 5: Radschnellwege
Schätzung der Stadt: 37,5 Mio. € = 1,5 Mio. € / km
Unsere Informationen:
Radschnellwege kosten pro km 0,5 – 2 Mio. € (Quelle: fairkehr, „die Radschnellwege kommen“)
In NRW kosten 250 km Radschnellwege 370 Mio. → 1,48 Mio./km (Quelle: "nahmobil", Magazin der AGFS NRW, Heft 13, Juni 2019)
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Übrigens: Bei Radschnellwegen ist eine Förderquote von 75 % der Kosten zu erwarten (Quelle: fairkehr, „die Radschnellwege kommen“)
Ziel 6: Fahrradstellplätze
Schätzung der Stadt:
Radstation: 7 Mio. € (1750 € pro Stellplatz)
5 × 1000 Bügel: 2,5 Mio. € (500 € pro Bügel)
Unsere Informationen:
Fahrradstationen kosten 3.000–6.000 € pro Stellplatz (Quelle: „Kosteneffiziente Maßnahmen“ S. 31, Quellenverweis 33)
Bügel kosten 50–150 € pro Stück (Quelle: „Kosteneffiziente Maßnahmen“ S. 29, Quellenverweis 28)
Radabstellplätze mit Überdachung 1000 € pro Stellplatz (Quelle: „Kosteneffiziente Maßnahmen“ S. 31, Quellenverweis 31)
Fahrradboxen kosten 500–1500 € pro Stellplatz, mit Ladestation für E-Räder 1200–5000 € pro Stellplatz (Quelle: „Kosteneffiziente Maßnahmen“ S. 31, Quellenverweise 36 bzw. 37)
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Übrigens: Es existieren Förderungsmöglichkeiten durch das Bundesumweltministerium von bis zu 40 % der Kosten. (DB-Netze: Downloads zur „Bike+Ride-Offensive“)
Ziel 7: Radwege pflegen und nutzbar halten
Schätzung der Stadt: 1.237.000 €
Unsere Anmerkung: Es wurde nicht weiter aufgeschlüsselt, wie sich die geschätzte Summe auf die einzelnen Unterpunkte verteilt. Pro Winter kann von 2.700 € / km Radweg für den Winterdienst ausgegangen werden (Quelle: Angaben der Stadt Salzburg, MA 6 Baudirektion am 14.03.2013, zitiert nach „Kosteneffiziente Maßnahmen“, S. 25, Quellenverweis 25)
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Ziel 8: Abbiegeassistenten für Lkw / Busse
Schätzung der Stadt: 2.187.000 €
Unsere Anmerkungen: Aus der Kostenschätzung der Stadt geht nicht hervor, für wie viele Fahrzeuge gerechnet wurde. Weiterhin ist nicht klar, ob es sich um fiktive Nachrüstungskosten handelt. Es ist außerdem anzunehmen, dass eine Anzahl von Fahrzeugen aufgrund ihres Alters ohnehin ausgetauscht werden muss und die neu angeschafften Fahrzeuge serienmäßig mit Abbiegeassistenten ausgestattet sind.
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Ziel 9: Fahrradstaffel des Ordnungsamts
Schätzung der Stadt: Überschuss 170.000 €
Unsere Anmerkung: Man fragt sich, warum diese Maßnahme nicht schon längst umgesetzt ist, wo sie doch neben den Vorteilen für Radfahrende und zu Fuß Gehenden einen finanziellen Vorteil für die Stadt hätte.
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Ziel 10: Öffentlichkeitsarbeit
Schätzung der Stadt: 100.000 €
Hier liegt ein Rechenfehler vor: Wir fordern pro Jahr 100.000 € für die Öffentlichkeitsarbeit, also 500.000 € in fünf Jahren.
→ wir korrigieren auf 500.000 €
Ziel 11: Transparenz
Schätzung der Stadt: 250.000 €
Unsere Anmerkung: Es ist nicht beschrieben, wie diese Zahl zustande kommt. Da die Summe aber im Vergleich zu den anderen Posten nicht groß ist, akzeptieren wir die Zahl.
→ Schätzung der Stadt wird akzeptiert
Gesamtsumme
75.304.000 €