Nikolausfahrt zu Tops (und Flops) der Bielefelder Radinfrastruktur


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Am Samstag, dem 9.12.2023 veranstaltete der Radentscheid Bielefeld eine Nikolausfahrt. Die Route ging, geschützt von der Polizei, vom Start am Hauptbahnhof (Vorplatz) aus zu guten und schlechten Beispielen Bielefelder Radinfrastruktur. Wir fuhren als Nikoläuse verkleidet durch die Stadt und packten an verschiedenen Orten „Geschenke“ aus. Dann gab es „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ für gelungene oder eben nicht gelungene oder auf sich wartende Infrastruktur. Hier alle Stationen:

Hauptbahnhof

Für die Verkehrswende ist die Verknüpfung zwischen öffentlichem Verkehr und Radverkehr von großer Bedeutung. Bis 2019 gab es dafür am Hauptbahnhof eine Radstation, die aber abgerissen worden ist. Die Ersatz-Radstation liegt versteckt in der Nahariyastraße. Am und im Bahnhof weist kein Schild auf diese Radstation hin. Sie ist schwer aufzufinden und nur für Insider, die im Besitz einer Chipkarte sind, durchgängig geöffnet.

Auf Anregung des Radentscheids soll nun voraussichtlich im Jahr 2026 der Bunker unter dem Bahnhofsvorplatz in eine Radstation für 2.000 Fahrräder umgebaut werden. Die unmittelbare Nähe und der direkte Zugang vom Bunker zum Tunnel unter den Gleisen sind die großen Pluspunkte dieser Planung. So wird der Radverkehr optimal an den Bahnverkehr angeschlossen.

Der finanzielle Eigenanteil der Stadt und die Einwerbung von Fördergeldern gelten als gesichert. Das Projekt hat Leuchtturmcharakter weit über Bielefeld hinaus und weckt deutschlandweit Interesse. Wir freuen uns schon jetzt auf die Radstation im Bunker!

Natürlich braucht der Hauptbahnhof auch eine gute Anbindung ans Radverkehrsnetz. Bisher ist dies nicht gegeben, aber die „Machbarkeitsstudie“ zur Umgestaltung des Bahnhofsumfelds, zu der auch der Radentscheid beratend beigetragen hat, sieht deutliche Verbesserungen vor. Hoffen wir, dass auch die entsprechenden Beschlüsse gefasst werden!

Willy-Brandt-Platz

Die vertragliche Zusage an den Radentscheid, dass Verkehrsknotenpunkte fahrradfreundlich umgestaltet werden, wurde bisher nur selten umgesetzt. Einige schwere Unfälle in der letzten Zeit zeigen, dass es hierbei nicht nur um den Komfort, sondern vor allem auch um die Sicherheit der Radfahrenden geht. Wir drängen weiter darauf, dass Kreuzungen mit und ohne Ampelanlagen im Sinne der Verkehrswende für den Radverkehr optimiert werden.

Was eine Ampelschaltung ausmacht, die nur am Kfz-Verkehr orientiert ist, kann man am Willy-Brandt-Platz gut sehen: Eine Umrundung des Platzes auf der Autospur dauert weniger als eine Minute, während man mit dem Fahrrad wegen der vielen Ampeln an den Überwegen die dreifache Zeit braucht. Hier wie an zahllosen anderen Ampelanlagen wird der Radverkehr ausgebremst.

Unser Anliegen ist jedoch nicht nur, große Knotenpunkte wie den Willy-Brandt-Platz zügiger mit dem Rad überqueren zu können. Vor allem fordern mir mehr Sicherheit an Kreuzungen, um Radfahrende vor den oft schwer bis tödlich verlaufenden Abbiegeunfällen (abbiegendes Kfz überfährt geradeaus fahrendes Rad) zu bewahren.

Fahrradparken in der City

Fahrradparken ist ein wichtiger Aspekt im Alltag der Radfahrenden.

Wo kann ich mein Rad während der Arbeitszeit oder über Nacht sicher abstellen? Gerade für E‑Bikes und Lastenräder wünschen sich die Besitzerinnen und Besitzer einen sicheren Abstellort, geschützt vor Witterung, Diebstahl und Vandalismus. In unmittelbarer Nähe des Jahnplatzes gibt es dafür inzwischen zwei zeitgemäße Angebote.

Im RadHaus am Niederwall stehen 184 Stellplätze für Räder und EBikes sowie acht Stellplätze für Lastenräder kostenlos zur Verfügung. Zurzeit sind die Öffnungszeiten noch begrenzt (montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr). In dieser Zeit ist das RadHaus auch personell besetzt durch einen Vertreter von Etiennes Radladen, so dass auch Serviceleistungen angeboten werden. Ein digitales Zugangssystem wird das Fahrradparken demnächst auch rund um die Uhr ermöglichen.

Fahrradboxen sind ebenfalls eine sehr gute Lösung für das Fahrradparken. Die Stadt Bielefeld hat die erste, für alle zugängliche Fahrradbox neben dem Alten Friedhof in der Friedrich-Verleger-Straße aufgestellt. Sie bietet Platz für zwei Lastenräder und drei Fahrräder. Das Öffnen und Schließen ist mit der obALu-App für 24 Stunden kostenlos möglich. Die Fahrradbox wird als Prototyp für ein Jahr zum Testen aufgestellt. Wenn sie gut funktioniert und angenommen wird, sollen weitere Boxen auf breiten Bürgersteigen oder anstelle von Autoparkplätzen folgen.

Jahnplatz

Der Jahnplatz ist ein Beispiel für ein gelungenes Verkehrswendeprojekt. Trotz großer Widerstände wurde die Zufahrt Niederwall abgetrennt. Es wurden neue Radwege angelegt und die Bushaltestellen neu gestaltet. Der Autoverkehr hat zwei Spuren statt vorher vier.

Nachteilig ist allerdings die mangelnde Abtrennung der Radwege von den Fußgänger- bzw. Wartebereichen. Aus Sicht der Radfahrenden stehen oder gehen sehr häufig Menschen auf den Radwegen herum und machen das Fahren auf dem Jahnplatz schwieriger. Und für die, die auf dem Jahnplatz zu Fuß unterwegs sind oder auf den Bus warten, wird der Radverkehr manchmal zu einem Stressfaktor.

Fazit: Der Autoverkehr bricht nicht zusammen, wenn einzelne Fahrspuren oder Abbiegemöglichkeiten wegfallen. Die Verkehrswende muss weitergehen!

Adenauerplatz

Bis vor einem Dreivierteljahr hatten Radfahrerinnen und Radfahrer auf dem Adenauerplatz zwei Möglichkeiten, wenn sie aus der Innenstadt in Richtung Brackwede fahren wollten. Entweder sie entschieden sich für die unangenehme und gefährliche Radspur inmitten des Kfz-Verkehrs oder sie nahmen einen deutlichen Umweg mit Steigung über die Brücke neben den Bahngleisen in Kauf, wobei sie sich den knappen Platz mit dem Fußverkehr teilen mussten.

Seit dem Frühsommer 2023 ist damit Schluss: Radfahrerinnen und Radfahrer können sich über einen bis zu vier Meter breiten Radweg getrennt vom Fußverkehr freuen. Wartende an Bushaltestellen und Fußgänger und Fußgängerinnen haben jetzt ebenfalls deutlich mehr Platz als zuvor. Sensorgesteuerte Ampeln ermöglichen dem Radverkehr eine sichere und recht zügige Querung der breiten Fahrbahnen zum und vom Ostwestfalendamm.

Insgesamt ein guter Schritt für eine sichere Radverbindung in Richtung Bethel und Brackwede, die hoffentlich in naher Zukunft fortgeführt wird. Und auch der Adenauerplatz selbst muss an vielen weiteren Querungsstellen noch für den Rad- und-Fußverkehr optimiert werden.

vorher:

nachher:

Artur-Ladebeck-Straße

Dass hier eine Fahrspur zugunsten des Radverkehrs wegfallen sollte, führte zu harten Debatten. Teils waren die Argumente überhaupt nicht nachvollziehbar. Rettungsdienste können nämlich durchaus von Radspuren profitieren, auch wenn diese durch Trennungselemente geschützt sind, Beispiele aus anderen Städten zeigen dies klar, aber in Bielefeld blieb die Feuerwehr unbeweglich. Am Schluss vieler Debatten, auch mit der IHK, ergab sich ein Kompromiss, der bisher noch nicht vollständig umgesetzt worden ist. Es fehlt noch der zugesicherte Schutz an Kreuzungen und Einmündungen. Auch auf eine Regelung für den Seitenwechsel in Richtung Lönkert/Brackwede und auf den Anschluss ans Betheleck müssen wir noch warten. Immerhin wurden aber bereits die politischen Beschlüsse dazu gefasst.

Auf dem (bis auf den Schutz) fertiggestellten Abschnitt der Artur-Ladebeck-Straße ist jetzt genügend Platz, um die Route auch mit breiteren Lastenrädern zu befahren, einander bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu überholen und nicht an jeder Einfahrt vorsichtig abbremsen zu müssen wie bisher. Für die wichtigste Bielefelder Nord-Süd-Verbindung und Teuto-Querung ist damit ein guter Anfang gemacht, der auch zum vorgesehenen Radschnellweg passt. Auch die Fußgängerinnen und Fußgänger haben nun mehr Platz und mehr Sicherheit. Und siehe da: Der Autoverkehr kommt mit zwei statt vier Spuren im allgemeinen gut klar. Ein echter Durchbruch ist also gelungen. Hier wurde gezeigt, dass Verkehrswende funktionieren kann!

Rohrteichstraße und Ehlentruper Weg

Hier ist die erste Fahrradstraße Bielefelds entstanden, die ihren Namen auch verdient. Sie richtet sich nach dem neuen „Bielefelder Standard“. Dieser Standard regelt Fahrbahnbreiten und viele weitere Gestaltungsprinzipien und wurde vom Amt für Verkehr, vom Radentscheid und weiteren Interessengruppen erarbeitet und im Jahr 2021 politisch beschlossen.

Auch hier mussten wir in der Umsetzung Kompromisse hinnehmen. Es gibt mehr Parkplätze an den Seiten, als nach den Standards zulässig wären, und das Verbindungsstück über die Teutoburger Straße soll zwar im kommenden Jahr neu gestaltet und verbessert werden, aber die aus unserer Sicht klarste, sicherste und komfortablere Variante – die Straße geradeaus queren und auf dem Ehlentruper Weg bis zur Bielsteinstraße durchfahren – wurde nicht gewählt.

Im kommenden Jahr wird es weitere Umbauten geben, mit denen die bisherige Versuchsphase abgeschlossen wird. Es wird Gehwegüberfahrten geben, die den Fußgängern Komfort und Sicherheit bieten und Autos davon abhalten, aus Versehen die Vorfahrt der Fahrradstraße zu missachten. An die Prießallee kommt eine Ampel mit sensorgesteuerter Vorzugsregelung für den Radverkehr. Der Bereich vor der Diesterwegschule wird durch eine zusätzliche Einbahnstraßenregelung besonders geschützt. Es kommen mehr Fahrradbügel und mehr Grün.

Die Veränderungen sind schon jetzt deutlich wahrnehmbar und messbar. Die Verkehrsbelastung ist laut Messungen der Stadt auf allen Abschnitten zurückgegangen. Es ist viel ruhiger geworden. Der Radverkehr ist bereits um mehr als 20 Prozent angestiegen. Fußgängerinnen und Fußgänger haben endlich mehr Platz, seit parkende Fahrzeuge nicht mehr halb auf den Gehwegen stehen.

Und nach dem Umbau wird es hier noch schöner!

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